18. September 2017
Der Mensch macht’s
In Zeiten von Digitalisierung und Industrie 4.0 – wie sieht die Arbeitswelt von morgen aus? Drei Experten von Pepperl+Fuchs diskutieren die Zukunft der Arbeit und die Rolle des Menschen in einer digitalisierten Welt.
Digitalisierung, Internet der Dinge, Industrie 4.0 — Schlagworte, die allgegenwärtig sind und heiß diskutiert werden. Immer wieder stellt sich die Frage, was das für unsere zukünftige Arbeitswelt bedeutet. Mit Christian Schwöbel, Leiter Global Technology Management und Produktion Mannheim, Benedikt Rauscher, Leiter Globale IoT-Projekte, und Till Hoffmeyer-Zlotnik, Vertriebsingenieur New Business Development, haben wir drei Mitarbeiter aus verschiedenen Arbeitsbereichen bei Pepperl+Fuchs zum Meinungsaustausch an einen Tisch geholt.
Christian SchwöbelZunächst einmal muss man sagen, dass wir uns schon in einer digitalisierten Welt bewegen. Denken Sie an Videokonferenzen: Dass wir die Kollegen in Produktionsstätten am anderen Ende der Welt auf dem Bildschirm sehen können, geht nur mit digitaler Technik. Genauso erfolgen Vorgänge wie ein Urlaubsantrag in Unternehmen heute elektronisch — das ist ja auch Digitalisierung. Solche digitalisierten Workflows gibt es auch in der Produktion. Zum Beispiel besteht zunehmend die Möglichkeit, Status und Prozessergebnisse digital verfügbar und auswertbar zu machen. Das ist bei uns im Haus aber tatsächlich schon gang und gäbe. Es ist also nicht so, dass gestern alles analog war und heute wird es digital. Wir merken es nur verstärkt, weil einfach immer mehr digitalisiert wird und digitale Technologien in immer mehr Bereiche vordringen.
Till Hoffmeyer-ZlotnikIm Vertrieb sieht man das an dem simplen Beispiel, wie wir heute mit Kunden kommunizieren. Früher kam eine schriftliche Anfrage per Post, die wurde von einem Mitarbeiter elektronisch erfasst und bearbeitet, dann verschickte man ein schriftliches Angebot. Heute ist die Anfrage selbst schon digitalisiert; man hat gar nicht mehr zwingend direkten Kontakt mit Menschen, sondern vielmehr mit einer Software. Spinnen wir das weiter, hat der Mensch in solchen Vorgängen vielleicht irgendwann vielmehr eine Kontrollfunktion. Man denke an Bestellungen bei großen Online-Händlern: Vom Eingang bis zum Versand laufen dort bereits heute alle Informationen und Interaktionen über Software und System — es steckt kein Mensch dahinter, der den Prozess steuert. In Zukunftsszenarien bestellt genauso in der Industrie die Maschine ihr Ersatzteil direkt bei der anderen Maschine.
Benedikt RauscherGenau das ist ein wichtiger Wandel, der in der Industrie auf uns zukommt — vorausgesetzt, wir schaffen dafür die technologische Basis. Wir haben heute sozusagen ein „Internet der Menschen“. Heißt, ein Mensch stellt Informationen im Internet bereit. Im „Internet der Dinge“ ist es nicht mehr der Mensch, der Informationen einstellt, sondern die Maschine selbst — und zwar für eine andere Maschine. Und das wirkt sich natürlich auf unsere Arbeitsweisen aus.
Benedikt RauscherIndustrie 4.0 nutzt das Internet der Dinge, um Prozesse und Abläufe effizienter zu gestalten. Maschinen sollen in einer Anlage und sogar über die Grenzen eines Unternehmens hinweg miteinander kommunizieren können. Prozesse wie die Bestellung eines Ersatzteils müssen dann keinen „Umweg“ über eine dritte Stelle gehen, das spart Zeit. Auch „Ich bin mit Bauteil A gleich fertig und schicke es dir zur weiteren Bearbeitung“ kann so eine Nachricht sein. Das beschleunigt die Vorgänge, weil Mitarbeiter nicht erst einen Status erfassen, eingeben und die weiteren Schritte einleiten oder steuern müssen, sondern vieles automatisiert geschieht.
Christian SchwöbelDas Szenario der menschenleeren Fabrik wird immer wieder aufgeworfen, aber es ist bis heute nicht eingetreten und das wird es meines Erachtens auch nicht. Natürlich geht es in der Produktion beim Thema Digitalisierung immer auch um Automatisierung. Schritte und Prozesse sollen so miteinander verknüpft werden, dass Maschinen selbständig arbeiten beziehungsweise miteinander kommunizieren. Da wird der Mensch sehr wahrscheinlich in Zukunft eine andere Rolle einnehmen. Das heißt aber nicht, dass man ihn nicht mehr braucht. Im Gegenteil: Die Aufgaben werden meiner Meinung nach eher komplexer. Die kognitiven Fähigkeiten von uns Menschen werden da in Zukunft unbedingt notwendig sein, denn man muss mit den Systemen ja auch umgehen können.
Benedikt RauscherDiese Fähigkeiten kann eine Maschine oder ein Roboter auch nicht ersetzen. Aber solche Entwicklungen können den Menschen unterstützen und Abläufe verschlanken, sodass sich der Mensch auf andere Aufgaben konzentrieren kann. Nehmen wir noch einmal den Vertrieb als Beispiel. Wenn Maschinen Standardbestellungen etwa selbst regeln, gewinnen Mitarbeiter im Vertrieb Zeit, um sich um „kreativere“ Dinge zu kümmern.
Till Hoffmeyer-ZlotnikDiese Zeit werden sie übrigens benötigen, denn mit der Digitalisierung ändern sich gleichzeitig Kundenanfragen und -bedürfnisse. Wo der Kunde früher schaute, was der Markt anbietet, und dann eine Komponente wie einen Näherungsschalter anfragte, tritt er heute mit einer Problemstellung an das Unternehmen heran, die er lösen möchte — ohne dass ein bestimmtes Produkt im Vordergrund steht. Industrie 4.0 weckt beim Kunden Bedürfnisse und der Vertrieb bekommt das Potpourri dieser Bedürfnisse. Es braucht im Unternehmen also unbedingt Experten, die sich mit solchen Anforderungen auseinandersetzen und Lösungen gezielt für diese Bedürfnisse entwickeln.
Till Hoffmeyer-ZlotnikAuf jeden Fall. Heute arbeiten wir in festen Strukturen. Mit den Anfragen nach Lösungen und Produkten, die auf die Bedürfnisse des Kunden zugeschnitten sind, wird sich das voraussichtlich mehr und mehr zum Arbeiten in und an Projekten wandeln, und das bereichsübergreifend. So individuell wie die Kundenwünsche im Rahmen der digitalen Transformation werden, so individuell und originell müssen die Herangehensweisen des Vertriebs werden. Das bedeutet gleichzeitig, dass Abteilungsgrenzen verschwimmen können. Aber auch die Einführung neuer Technologien wie Virtual Reality nimmt Einfluss auf die Arbeit. Vielleicht trifft der Außendienstmitarbeiter den Kunden irgendwann im virtuellen Raum und fährt nicht zu ihm — solche Zukunftsszenarien sind ebenfalls denkbar.
Christian SchwöbelMan kann davon ausgehen, dass sich verschiedene Bereiche in Zukunft noch viel mehr verzahnen. Vertrieb, Produktmanagement, Entwicklung und nicht zuletzt die Produktion werden in Zukunft verstärkt und enger zusammenarbeiten. Wenn man tatsächlich annimmt, dass Produkte und Lösungen zunehmend kundenspezifisch gefertigt und sogar individuell produziert werden, ist das gar nicht anders möglich. Da werden vielleicht auch Bereiche zusammenkommen, die früher nie Berührungspunkte hatten.
Benedikt RauscheDeshalb bekommen Kommunikation und Teamarbeit in Zukunft aus meiner Sicht eine viel größere Bedeutung. Denn so viel wir auch digitalisieren, wir müssen immer noch miteinander sprechen und umgehen. Und das sogar mehr denn je. Gerade bei komplexen Projekten müssen sich die einzelnen Unternehmensbereiche oder gar verschiedene Unternehmen zusammentun, um die geballte Expertise in eine Lösung einfließen zu lassen. Soziale Kompetenzen gewinnen also im Zuge der Digitalisierung an Wichtigkeit und werden nicht, wie mancher vielleicht annehmen könnte, unwichtiger, wenn sozusagen ohnehin alles automatisiert wird.
Benedikt RauscherSicherlich wird in Zukunft mehr Flexibilität von uns gefordert sein, was die Aufgabenbereiche und die Arbeitsweise betrifft. Wir müssen offen sein für Neues. „Lebenslanges Lernen“ ist an der Stelle ein schönes Stichwort. Denn es wird wahrscheinlich nicht mehr so sein, dass man sein Arbeitsleben lang dieselbe Aufgabe ausübt. Mit dem technologischen Fortschritt ändern sich auch die Tätigkeiten.
Christian SchwöbelAber sicher ist: Der Mensch ist und bleibt wichtig, eigentlich sogar wichtiger denn je. Denn schließlich sind es ja die Menschen, die solche Entwicklungen, wie sie für Industrie-4.0-Szenarien gebraucht werden, überhaupt angehen, umsetzen und dann betreuen können. Man muss sich auch vor Augen halten, dass hinter all der Einfachheit, die uns so manche Technologie bietet, eine komplexe Entwicklung steckt. Die Jobs von morgen kann man Stand heute nur erahnen.
Till Hoffmeyer-ZlotnikDie Digitalisierung kann für den Einzelnen aber auch mehr Flexibilität bringen, wenn man für seine Arbeit zum Beispiel gar nicht mehr vor Ort sein muss, weil man sie übers Internet von jedem anderen Ort erledigen kann. Allerdings müssen dafür die bestehenden Regelungen im Unternehmen überdacht werden. Das fängt beim Arbeitsplatz an und hört beim Zeitmodell auf. Die Digitalisierung betrifft deshalb nicht nur Produktion und Vertrieb, sondern das ganze Unternehmen.
Benedikt RauscherTatsächlich ist Digitalisierung auch ein Change-Prozess. Es geht nicht nur darum, dass wir digitale Technologien entwickeln. Denn mit immer mehr digitaler Technik umzugehen und sie zu unserem Nutzen einzusetzen, ist letztlich der große Wandel, vor dem wir alle stehen.
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